Ja, wo ist er denn nun? Keine andere Frage dürfte auch nach rund 40-jähriger Bibi-Blocksberg-Historie derart offen sein wie die nach dem Verbleib Boris Blocksbergs. Doch erst einmal alles schön der Reihe nach.
Im Jahr 1980, also gut drei Jahre nach Veröffentlichung der Benjamin Blümchen Hörspiele, startete im Neustädter Universum eine zweite Serie, nämlich die, die wir heute unter dem Titel „Bibi Blocksberg“ kennen, doch damals war noch so einiges anders und das ging bereits mit dem Serientitel los, denn dieser lautete seinerzeit noch „Eene Meene Hexerei“ und auf dem Cover der allerersten Folge, die in ihrer Erstausgabe noch „Können Blocksbergs hexen?“ hieß, war eine korpulente, blondhaarige Frau zu sehen, die ganz und gar nicht an Bibi erinnerte. Das konnte sie auch aus einem guten Grund nicht, denn die Frau auf dem Titelbild war gar nicht Bibi, sondern ihre Mutter Barbara, die genau so dargestellt wurde, wie der Erzähler sie zu Beginn der allerersten Folge auch beschrieb: rundlich und blond! Ihr heutiges Aussehen, nämlich rothaarig und schlank, erhielt sie erst ein paar Jahre später mit der Umgestaltung des Zeichenstils.
Aber auch sonst war damals noch vieles ganz anders als wir es heute kennen. Die Blocksbergs wohnten noch im 20. Stock des Hochhauses A und nicht in ihrem eigenen Haus in Gersthof, das sie übrigens erst in Folge 21 bezogen. Der Erzähler der ersten sieben Folgen war auch nicht Joachim Nottke, sondern Ulli Herzog, der von Beginn an die Regie der Aufnahmen innehatte und ab 1989 auch selbst zur Feder griff. Charismatisch für die Ursprungsserie war auch die instrumentale Titelmusik und die Zwischenspiele. Ach ja: Und noch etwas war nicht so, wie wir es heute kennen: Familie Blocksberg bestand damals noch aus vier Personen, denn Bibi hatte einen Bruder: Boris.
Die Ausrichtung der ersten sieben Folgen war eindeutig: Nicht Bibi stand im Mittelpunkt, sondern die Erlebnisse der gesamten Familie Blocksberg. Demzufolge, um das Bild abzurunden, gab es neben den beiden Eltern – ganz traditionell, aber der damaligen Zeit entsprechend arbeitendem Vater und der Mutter als Hausfrau – dann auch noch Brüderchen und Schwesterchen. Zu Bibi müssen wir wohl nicht viel sagen, denn wir kennen sie: Damals noch zwölf Jahre alt, später dreizehn, aber von Beginn an ungefähr so dargestellt, wie wir sie auch heute noch kennen. Susanna Bonaséwicz klingt auch heute im zarten Alter von 64 Jahren, immer noch wie die kleine, aufgeweckte Junghexe. Keine Ahnung, wie die Frau das macht, aber eigener Aussage zufolge kennt sie das Geheimnis ihrer immer noch taufrisch klingenden Stimme selbst nicht so genau.
Der andere, um den es hier geht, ist Boris, Bibis Bruder, der ganze vier Jahre jünger ist, nämlich acht und daher als Küken der Familie von den übrigen Blocksbergs auch scherzhaft Boris-Baby genannt wird. Besonders viel mehr erfahren wir aber bis zu seinem Ausscheiden aus der Serie über ihn nicht, in der Zauberlimo-Folge ist sein Fahrradunfall zwar der Aufhänger für die Story, letztendlich dreht sich aber mehr oder weniger alles um Bibis Limohexerei mit dem Bürgermeister. Ein ähnliches Szenario erleben wir in der anschließenden Folge mit dem Bankraub, auch hier stiehlt Bibi ihrem kleinen Bruder wieder wunderbar die Show. Tja, Hexen müsste man können. In der Folge „Die Kuh im Schlafzimmer“, die heute von vielen Fans als beste der ganzen Serie betrachtet wird, hat Boris seinen stärksten Auftritt und generell lässt sich sagen, dass in dieser Folge alle vier Blocksbergs ungefähr gleichermaßen zum Zuge kommen.
Am Ende der Folge sieben hören wir Boris‘ Stimme zum letzten Mal. Mit dem Blocksbergschen Abmarsch zu Tante Amanda endete daraufhin nicht nur die Folge, sondern auch die komplette Ursprungsserie, ihr wisst schon: die, mit dem Titel „Eene Meene Hexerei“. Das war 1982.
Knapp ein Jahr später wurde die Serie dann einem Facelift unterzogen. Sie hieß ab sofort „Bibi Blocksberg“, Ulli Herzog beschränkte sich wieder weitgehend aufs Produzieren und überließ Joachim Nottke, der bereits seit Jahren Erzähler der Benjamin-Storys war, den Vortritt. Auch das Instrumentalintro war kurz darauf Geschichte und schon bald hörten wir das bekannte „Bibi Blocksberg, du kleine Hexe“, das übrigens komplett aus drei Strophen besteht; aufgrund der Länge wurde aber nur die erste Strophe auf den Kassetten verwendet. Aber noch etwas anderes hatte sich verändert. Boris war plötzlich nicht mehr dabei, doch anscheinend war die Entwicklung seines Charakters Anfang 1983 mit der Entstehung der Schlossgespenster-Folge noch nicht ganz sicher, denn zu Beginn von Folge acht gehört er im Rahmen der Vorstellung durch den Erzähler immer noch zur Familie, sei aber gerade verreist. Erst eine Folge später wird sein Abschied thematisiert. Er lebe nun aus gesundheitlichen Gründen (starker Husten) bei den Großeltern an der Nordsee und Bibi heult Rotz und Wasser. Das ist allerdings das letzte Mal, das Boris Beachtung findet. Später sollte es noch schlimmer kommen…
Nun müssen wir uns also die grundlegende Frage stellen, was Elfie Donnelly dazu bewogen hat, Boris aus der Serie zu streichen und uns eine weinende Bibi zu hinterlassen. Für diesen gewagten Schritt gibt es wohl zwei Hintergründe, die auch Elfie Donnelly selbst teilweise zugibt. Zum einen ist Boris ganz einfach dem Facelift der Serie zum Opfer gefallen, frei nach dem Motto: der Schwächste fliegt! Und wie wir bereits gerade erfahren haben, wirkte Boris in den meisten der ersten sieben Hörspiele generell etwas farblos. Klar: Bibi hatte sich in die Herzen ihrer Fans gehext und zur intakten Familie gehörten Anfang der 80er Jahre nun einmal Vater und Mutter. Also fiel Boris kurzerhand durch das Raster, man hatte für ihn schlichtweg keine Verwendung mehr und sein Verlust wäre zu verschmerzen, weil die Serie auch ohne ihn ganz gut – oder vielleicht sogar noch besser – funktionieren würde. Diese Prognose sollte sich bestätigen, denn mittlerweile sind mehr als 120 weitere Bibi-Folgen auf den Markt gekommen – alle ohne Boris!
Der zweite Grund für sein plötzliches Verschwinden lag aber sehr wahrscheinlich auch an seinem Sprecher Frank Schaff-Langhans, eine bekannte Stimme in der damaligen KIOSK-Szene, die aber 1982 plötzlich ein Problem bekam, das irgendwann bei nahezu jedem männlichen Geschöpf dieser Welt an die Tür klopft: Stimmbruch. In der Tat war Frank Schaff-Langhans 1982, zum Zeitpunkt der Aufnahmen der letzten beiden Eene-Meene-Hexerei-Folgen bereits 16 Jahre alt und seine Stimme hatte sich entsprechend verändert, zu stark, um auch noch ansatzweise glaubwürdig einen achtjährigen Jungen sprechen zu können. Das war auch der Grund, warum er ein Jahr später aus seiner Rolle als „Otto“, Benjamins größtem Freund, ausschied. Übrigens: In Benjamins Folge 20 aus dem Jahr 1982 kommt es bekanntlich zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Neustädter Stars Bibi und Benjamin. Mit von der Partie ist natürlich auch Otto, der, wie wir bereits wissen, auch von Frank Schaff-Langhans gesprochen wurde. Boris wird in dieser Folge zwar noch namentlich erwähnt, taucht aber nicht auf. Das wäre auch wirklich zu verwirrend gewesen, wenn Frank Schaff-Langhans plötzlich zwei Jungs gesprochen hätte. Der Unterhaltungsfaktor wäre aber um so größer gewesen.
Statt jedoch einen neuen Sprecher oder gar eine Sprecherin zu finden – Otto wird ja bekanntlich seit 35 Jahren von einer Frau namens Katja „Kay“ Primel gesprochen – ließ man den Charakter eben ganz aus der Serie fallen – so, als sei er eben nie existent gewesen. Wie sehr Boris in den folgenden Jahren verleugnet wurde, lässt sich vor allen in zwei Hörspielen aus dem Jahr 1992 hören. In der Bibi-Folge „Die Computerhexe“ stellt Vater Bernhard doch tatsächlich klar, dass er 33,3 % der Familie Blocksberg ausmache. Auch in der Bibi und Tina Folge „Papis Pony“ verkündet er, dass er bei Preisausschreiben immer drei Karten mit dem Namen „B. Blocksberg“ ausfülle. Das vierte Familienmitglied hat er in beiden Fällen gekonnt vergessen. Armer Boris…
Und so zieht sich seit vielen Jahren ein Mythos zur Personalie Boris Blocksberg durch die große Welt des Internets und nicht gerade wenige Bibi-Fans der allerersten Stunde fragen sich, was denn nun überhaupt aus Bibis Bruder geworden ist. Macht er sich an der Nordsee immer noch einen Lenz und hat seine Familie ebenfalls vergessen und verdrängt? Oder plant er im stillen Kämmerlein bereits seine Rückkehr samt Rache an seiner Familie, die gänzlich ohne ihn auskommt und auch nichts mehr von ihm wissen will? Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen, aber ich für meinen Teil bin mir sicher, dass das Kapitel „Boris“ noch nicht abgeschlossen ist.
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